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06. März 2020 Yoga und Bier Dieser, wie in Stein gemeisselte Götterarsch wippte gefährlich vor Pauls Nase. Er konnte sich kaum auf die Übung konzentrieren. Paul geht seit drei Wochen ins Yoga. Jeweils mittwochs nach Büroschluss in einem Dachgeschoss eines Altstadthauses. Der handtellergrosse Raum wurde eigens zum Zweck der körperlichen Ertüchtigung gelangweilter Büroangestellter aufgemotzt. Zum Einstieg jeder Yogastunde führt die Lehrerin eine Entspannungsübung vor. Bereits zum wiederholten Mal gelang es Paul, seine Yogamatte direkt hinter der von Maïke auszurollen, so dass er eine Stunde lang seine zügellosen Blicke unauffällig auf Maïkes spandexbespannten Rundungen heften konnte. Die Entspannungsübung setzte sich aus einfachem Sitzen auf der Yogamatte und sonst nixem zusammen. Paul erinnerte sich an das autogene Training, das er vor zwanzig Jahren, zusammen mit Susanne, seiner ersten, einzigen und gewesenen Ehefrau besuchte. Damals sassen sie stundenlang im Lotussitz an den unzugänglichsten Orten dieser Erde, luden sich mit Vitalität und Kundalini auf, um sich danach, meistens in freier Wildbahn, beim hemmungslosen Liebesspiel wieder zu entladen. Susanne hatte längst das Weite gesucht. Sie trennte sich von Paul eine Woche nach dem Examen ihrer einzigen Tochter Anna und zog mit einem reichen Hippie aus der Reichenbacher Oekobourgeoisie nach Formantera. Paul erkannte, dass seine Jugend dahin war. Die Fitness seiner sterblichen Hülle, bereits längstens in der zweiten Lebenshälfte angekommen, erlaubte ihm kaum mehr aus dem Stand seine Schuhe zuzubinden. Neulich, als er sich hinsetzte, um die Schuhe zu binden, ertappte er sich bei dem absurden Gedanken "komm binde doch gleich beide zu, wenn du schon sitzst". Den seit Jahren auf die lange Bank geschobenen Vorsatz, etwas für die Fitness zu tun, musste mit kategorischer Dringlichkeit umgesetzt werden. Paul konnte sich nicht erklären, wie es soweit kommen konnte, dass aus seiner sportlichen Gestalt von einst eine solche Ausgeburt von Träg- und Unbeweglichkeit hatte werden können. Er ging die unzähligen Angebote durch, welche auf Männer in seiner Situation ausgelegt waren. Allerdings gleich ins Rückentraining oder in den Kraftraum zu rennen, schien ihm zu übertrieben und so erinnerte er sich an Johannes, der ihm regelmässig mit seinen Yogastunden in den Ohren lag. Johannes gegenüber heuchelte Paul dann kurz nach dem Jahreswechsel beiläufig ein minimales Yogainteresse, so dass der ihm verriet, wo er denn in die Yogastunde ging. Paul wollte ums Verrecken vermeiden, in derselben Stunden zu landen wie Johannes. Was nämlich die ganzen Jahrzehnte in Paul überlebt hatte, auch wenn die ein oder andere Errungenschaft, die das Leben lebenswert gemacht hatte, flöten gegangen war, war seine Angst, sich vor seinen Freunden zu blamieren. Johannes liess zwar keine Zweifel daran, dass er hauptsächlich wegen den anwesenden Frauen die Yogaklasse besuchte, aber ein Versuch war's wert. Wenn sie zusammen nach den Heimspielen ihres Vereins den jeweiligen Abend noch in ihrer Stammkneipe ausklingen liessen, wusste Johannes nicht selten von erotischen Abenteuern zu berichten, welche, durfte man seinen Erzählungen glauben, stets im Umfeld seiner Yogaklasse angesiedelt waren. Die Blumigkeit seiner Berichte stieg dabei immer direktproportional mit dem Alkoholpegel, den er sich antrank. Paul konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, aus paarungstechnischen Gründen Yoga zu betreiben. Schon die Vorstellung von keuchenden und schwitzenden Körpern rief bei ihm eher Ekel hervor denn libidinöse Stimulanz. Für ihn stand einzig die Fitness im Fokus. Pauls Yogaklasse war überschaubar: Acht Leute, wie die acht Arme Doumus'. Yogalehrerin, sieben Yogaanfängerinnen, zwei davon Männer. Der andere: Andreas. Ein aufdringlicher Leistungsträger aus der mittleren Mitte der Gesellschaft. Motivunterwäsche, Klobrillenbärtchen. Stets bemüht, es allen recht zu machen. In vollkommener Zuvorkommenheit, für jedes Problem eine Lösung parat. Kurz: ein echter Kotzbrocken. "Freut mich, Andreas. Freunde dürfen Andi sagen". Schön, dachte ich und deine Frau? Sagt Bärtchen? Bereits nach der ersten Lektion hatte er allen Frauen geholfen, die Yoga for Beginners App auf ihre Handys zu installieren (und beiläufig seine Telefonnummer in ihren smarten Adressbücher eingelagert. Natürlich nur für den Fall, dass sie ihn jederzeit anrufen könnten, wenn sie spät in der Nacht mit der Yoga App nicht zurechtkommen täten.) Die Yogaübungen hatten es in sich und Paul schwitzte jeweils wie in Bär. Yoga kam ihm vor wie Turnen, er hatte es sich leichter vorgestellt. Mehr meditativ halt. Zum Schluss einer jeden Yogastunde musste ein Sonnengruss absolviert werden. Solange die Kräfte reichen, sagte die Lehrerin, allerdings mit angestrebten zehn Minuten reglosem Ausharren in derselben Position. Vorletztes Mal ging bei der Schlussübung plötzlich das Licht aus. Bewegungsmelder. Der Kotzbrocken hat sich sofort hervorgetan und verkündet, "kenn ich, keine Panik, muss man nur richtig timen". Kündigte sogleich an, bei der darauffolgenden Yogastunde einen Schraubendreher mitzubringen und den Bewegungsmelder auf "ayurvedische Gelassenheit" zu "trimmen" wie er fachmännisch blöckte. Beim nächsten Mal kam er dann allerdings nicht, aus welchen Gründen auch immer. Pest? Norovirus? Vom Bus überrollt? Die Yogalehrerin hatte dann aber zum Glück eine dieser debilen Winkekatzen mit dabei und stellte sie vor der Schlussübung unter den Bewegungsmelder. Paul war das egal. Der einzige unangenehme Nebeneffekt der Dunkelheit war das Abhandenkommen der Haftung seines Blickes auf Maïkes Becken. D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h . Kommentare (0) - Etwas Senf dazu? |