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02. November 2007

Allerheiligen im Reichswald

Bayerischer Horrorwald

Die erlauchte Christlichkeit beschert uns dieser Tage eine Fülle von Feiertagen. Neben dem Reformationstag und Allerseelen ist der dazwischen eingebettete Allerheiligen, der bemerkenswerteste. In Bayern wird er gottesfürchtig, auch gleich als arbeitsfreier Feiertag begangen.

Glücklich darüber - guter Dinge also - sattle ich meine Gazelle, um meine Nachforschungen um Bayerischen Reichswald voranzutreiben. Kryptische Landschaftsformen und Gesteinsschichten welche ich tags zuvor durch die Satellitenbrille von Google in meiner geschützten Umgebung (Büro) erspäht habe, harren ungeduldig der Erforschung meinerseits. Die guten Wetterverhältnisse schreien nach Ortsterminen beim Steinbrüchlein, der Bayernlinie, dem Ludwig-Donau-Main-Kanal sowie diversen militärischen Sperrgebieten mit von mir vermuteten Landminen.

Kaum erreiche ich allerdings die südlich von Nürnberg gelegenen Naherholungszonen, muss ich feststellen, dass ich nicht der einzige bin, der den willkommenen Feiertag nutzt um die Last der laufenden Woche abzuschütteln. Erschreckend voll ist der Reichswald nämlich von nordischen Spaziergängern.

Mit Skistöcken an den Händen und Ballonseide am schwitzenden Körper flatternd, versperren sie mir regimentstark die Feld- Wald- und Wiesenwege. Das Heer der Freizeithaber drängt mich immer wieder ins gefährliche Abseits. Einmal kann ich ein ungewolltes Bad im alten Kanal gerade noch abwenden. Sogar davor, mich und meine Gazelle auf die Autobahn zu treiben, schrecken sie nicht zurück. Wie in der Nacht der lebenden Toten drängen sie auf mich ein. Sind es Widergänger auf dem Weg nach Allerseelen? Warum sind sie am Tag unterwegs?
Nur eine kühne Flucht nach vorne, sprich quer über die A6 kann mich vor schlimmerem bewahren. Leider wird meine Gazelle durch diese Aktion ein wenig in Mitleidenschaft gezogen. Ein korrekt fahrenden Gefahrenguttransporter aus Krakau streifte ihr mit dem Hartgummihalter des Rückstrahlers (hinten rechts) den frisch aufgezogenen Weisswandreifen.

Nach fürsorglichem Zureden, kann die Forschungsreise weitergehen. Die Seelenwanderer scheuen offensichtlich die Autobahn. Über die Bayernlinie, von der ich nach wie vor nicht weiss, woher sie kommt und wohin sie geht, erreiche ich bald einmal den Ludwig-Donau-Main(-Rhein)-Kanal.

Den Kanal entlang fahrend überquere ich auch die Grenze hinaus aus dem reformierten Nürnberg und hinein in den katholischen Rest Bayerns. Ein schäbiges Tabernakel hoch oben an einer Eiche weist mir den Weg. Daneben gleich, noch ein Eich, diesmal auf Augenhöhe ein gilbes Blatt (DINA4) auf welchem nach einem Dackel gefahndet wird.
Weiter drin im Wald sehe ich noch mehr solche Anzeigen. Ob dort nach verschollenen Kindern und dergleichen gefahndet wird, will ich gar nicht wissen.

Angsterfüllt flüchte ich aus dem Idyll und vergesse meine Erforschungsabsichten. Der Weg zurück in die schützende Wohnwagenburg ist natürlich länger, und zeitraubender. Immer wieder muss ich mich vor den Nordic Walkern verstecken und die vermeintliche Kreuzung der Autobahn will diesmal - wegen der gebührenden Rücksicht auf meine Gazelle - geordneter durchgeführt werden.

Zurück im Wohnmobil verschwindet gerade die Sonne hinter dem Horizont. Ich bin ordentlich auf den Hund gekommen(wie man sagt) und beschliesse umgehend zu Bett zu gehen, um dringend nötigen Schlaf zu erlangen.

Mitten in der Nacht schrecke ich wieder auf. Max die Totenuhr klopft geduldig von innen an die Deckenverkleidung meiner Schlafkammer. Max ist mein Besucher seit letzten Montag. Er ist mir bereits ans Herz gewachsen, durchwachte ich doch beinahe die ganzen vergangenen Nächte zusammen mit ihm. Auf der aussichtslosen Suche nach einem Weibchen zur Durchführung von Massnahmen der Arterhaltung klopft er mit seinem Kopf unentwegt auf das Brett über mir: Toc Toc - - Toc Toc. Eine bizarrer, aber trotzdem gespenstischer Offbeat. Ein Rocksteady-Käfer. Damit das Wachliegen nicht allzulangweilig wird, lese ich. Schon am Dienstag sah ich jedoch ein, dass ich grad so gut dem Max auch laut vorlesen kann. Wünscht man sich selber doch bei harter Arbeit unterhalten zu werden. Wenn mich Max schon an meinem Schlaf hindert, so soll dies nicht zu seinem Nachteil sein.

Toc Toc - - Toc Toc - -.
Toc Toc - - Toc Toc - -.

Plötzlich, schreie ich auf. Das Tocotronic-Konzert in Erlangen. Scheisse! Ein nebliger Blick auf die Uhr: 20:30

21:00 ist Konzertbeginn - das müsste noch zu schaffen sein. Rein in die Buchse und mit dem Sattel raus zur Gazelle, die natürlich tief und fest schläft. Nach langem Zureden und unglaublichen Versprechungen (nächste Woche kriegt sie eine Sonderschmierung, gar eine Zentralschmieranlage von Telma) kann's wieder losgehen.

Um 21:05, völlig verschwitzt bin ich im E-Werk in Erlangen. Rechtzeitig um festzustellen, dass ich wieder einem Veranstalter auf den Leim gegangen bin und er dem Volk einen Supporting Act untergejubelt hat.
Ausser mir scheint das niemanden zu stören. Die Supporting Act Scheisse muss von einem Alleinunterhalter bestritten werden, für den ich bloss Mitleid empfinde. Laut möchte ich schreien: "Mein Gott, ist es denn 2007 noch immer nötig, solche Musik zu machen!". Aus lauter Angst, er könnte sich durch mein Geschrei zu einer Zugabe hinreissen lassen, verhalte ich mich ruhig. Jedoch mit zweifelhaftem Ergebnis.

Ich warte trotzdem auf Tocotronic, wünsche mir aber insgeheim, bei Max zu sein und seinen rhythmischen - ja tanzbaren Klopfgeräuschen zu lauschen. Ich werde traurig. Aus dem Bestimmungsbuch für Insekten weiss ich, das Totenuhrenmännchen ihr Leben nach einem mehrtägigen Balzkonzert, unabhängig vom Erfolg beenden. Max wird nächste Woche nur noch als knusprige Käferleiche zwischen Blechdach und Hartpavatexverschalung, - womöglich auf dem Rücken - meinen Schnarchsalven zuhören. Der Gedanke treibt mich um und einen tot geglaubten Schauer über meinen Rücken
.
Ich möchte, dass Max während meiner Abwesenheit erfolgreich ist und im nächsten Frühjahr seine Nachkommen mit ihrem mehrstimmigen Geklopfe mir die nordicwalkenden Wiedergänger vom Leib halten.

Nach dem Konzert fahre ich nach Nürnberg zurück. Ungeduscht gehe ich gleich an die Arbeit. Meine Abwesenheit wurde nicht zur Kenntnis genommen.


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Um dem Winter entspannter entgegen zu sehen, praktizieren TTHäbeni die nötigen Vorkehrungen.

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D J B r u t a l o @ s c h n u l l i b l u b b e r . c h

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